War Mongrels schreibt eine rechte Version der Geschichte neu
Destructive Creations provoziert mit seinen Spielen immer wieder. Dahinter stecken eine politische Gesinnung, versteckte Propaganda und möglicherweise auch Verbindungen in die rechtsextreme Szene Polens.
"Einige von uns haben ziemlich rechte politische Ansichten, aber das basiert alles auf logischem Denken, nicht auf hasserfülltem Fanatismus", sagte Jarosław Zieliński, der CEO des polnischen Entwicklungsstudios Destructive Creations 2016 in einem Interview mit der Daily Mail. "Und ich verstehe immer noch nicht, was zum Teufel an Nationalismus falsch sein soll?" In der Psychologie gibt es ein Phänomen, das als kognitive Dissonanz beschrieben wird. Kognitive Dissonanz kann dann auftreten, wenn Menschen mit Fakten konfrontiert werden, die unvereinbar mit ihrem Selbstbild oder ihrer Weltanschauung sind. Das Ergebnis: ein als negativ empfundenes Spannungsverhältnis.
Ähnlich müsste es Zieliński und seinem Team ergehen. Eigentlich. Denn obwohl die selbsterklärten Demokraten einen "hassgetriebenen Fanatismus" ablehnen, ist Destructive Creations mit Shootern über hassgetriebene Fanatiker bekannt geworden. Die Antagonist genannte Spielfigur aus Hatred mordet wahllos, in dem muslimfeindlichen IS Defense "verteidigt" man Europas Grenzen mit dem Maschinengewehr. Mitglieder des Teams folgen zahlreichen rechtsextremen Organisationen in den sozialen Medien. Und Zieliński selbst postete in der Vergangenheit transfeindliche und antisemitische Kommentare. Wie lassen sich solche vermeintlichen Widersprüche erklären – und was steckt hinter den Vorwürfen einer rechtsextremen Ideologie bei Destructive Creations?
War Mongrels ist Fiktion in historischem Gewand
Im Oktober dieses Jahres hat Destructive Creations mit War Mongrels ein Taktikspiel herausgebracht, das auf den ersten Blick so gar nicht in das Bild eines Studios passt, das Verbindungen zur rechten Szene haben soll. Zunächst verführt von der NS-Propaganda, durchlaufen darin zwei junge Wehrmachtssoldaten im Angesicht deutscher Verbrechen an der Ostfront einen Sinneswandel, desertieren und schließen sich dem polnischen Widerstand an.
Mit der Wirklichkeit hat diese Geschichte wenig zu tun. Dass Soldaten der Wehrmacht an der Ostfront wie in War Mongrels die Seiten wechselten, ist nur selten vorgekommen. Spieleentwickler*innen steht es natürlich frei, auch historisch nahezu präzedenzlose Szenarien aufzugreifen. Doch in diesem Fall scheint es politisch motiviert zu sein. Geht es nach Destructive Creations, muss die Geschichte des Zweiten Weltkriegs hinterfragt und neu erzählt werden. Bislang sei sie das Produkt der westlichen Siegermächte, ein ideologisches Heldenepos voller Tabus und Unwahrheiten, die es zu entlarven gelte: "Die Geschichte wird von den Gewinnern geschrieben", ermahnt ein Sprecher in den sogenannten War Diaries, einer Videoreihe des Studios auf YouTube, "[...] insbesondere der Zweite Weltkrieg, der gewöhnlich als Kampf zwischen Gut und Böse dargestellt wird."
Als Nachweis dafür, dass der "Krieg das tief versteckte Böse im gewöhnlichen Menschen" freilegt, führt das Studio in diesen Videos die Bombardierung Dresdens durch die Alliierten ebenso an wie faschistische Propaganda-Plakate aus Italien. Dass auf letzterem der Vergewaltigungsversuch eines Schwarzen, französischen Soldaten gegenüber einer Weißen, italienischen Frau dargestellt wird, kommentiert Destructive Creations so: "Widerwärtige, rassistische Propaganda? Nun, nicht ganz ohne Grundlage."
Wie sorglos das Studio mit faschistischen Bilder hantiert, zeigt beispielhaft ein Meme, das auf der Steam-Seite von War Mongrels geposted wurde. Zu sehen ist Reinhardt Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamts und einer der Hauptorganisatoren des Holocausts, der in die Ferne schaut und die Arme in die Hüften stemmt: "Wenn Du Dich fragst, was Du zum Nachtisch essen willst, Dich dann aber entscheidest, 11 Millionen Juden zu vernichten." Das Marketing-Meme über den Holocaust ist ein weiterer Tabubruch des Studios.
"Wer zum Teufel wäre ich also, wenn ich wirklich Nazi-Aktivisten unterstützen würde?"
Destructive Creations selbst wehrt sich seit Jahren gegen Vorwürfe, die das Studio und seine Mitarbeitenden in Verbindung mit rechtsextremen Organisationen in ihrem Heimatland bringen. "Nazideutschland ist für die Ermordung von 6 Millionen Menschen in Polen verantwortlich", schreibt Marcin Kaźmierczak, der als FX-Artist bei Destructive Creations tätig war. "Meine Familie hat im Zweiten Weltkrieg viele Verluste erlitten. Jeder, der mir vorwirft, ein Anhänger dieser Ideologie zu sein, sollte wirklich zweimal darüber nachdenken, bevor er das tut, und sich überlegen, ob er nicht ein paar Bücher zu diesem Thema liest."
Die Erklärung ähnelt der Argumentation von Jarosław Zieliński: Wessen Familie unter Nazismus und Totalitarismus gelitten hat, könne selbst nicht rechtsextrem sein. "Meine Vorfahren haben sehr unter totalitären Regimen gelitten, wer zum Teufel wäre ich also, wenn ich wirklich Nazi-Aktivisten unterstützen würde?", schreibt der Studioleiter selbst. Dabei kursierten bereits 2014 Screenshots von Facebook-Profilen seiner Mitarbeitenden, die Interesse an neofaschistische Organisationen zu bekunden scheinen. Eine gemeinsame Recherche des Vereins Gesicht Zeigen (bei dem der Autor dieses Textes Mitarbeiter ist und an der er beteiligt war) und der Initiative Keinen Pixel den Faschisten dokumentiert diverse Likes von Seiten, Gruppen und Politikern aus Polens extremer Rechten. Betrachtet man diese einzelnen Likes aus dem Umfeld von Destructive Creations als Gesamtbild, entsteht ein dichtes Netzwerk aus nationalistischen Symbolen und islamfeindlichen Gruppen.
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