Videospielverfilmungen haben sich von Trash zu guter Unterhaltung gemausert
Die aufkommende Begeisterung für Videospiele schwappte auch ins Kino. 1982 spielte Tron, produziert von der Disney Company, schon am Eröffnungswochenende mehr als 4,7 Millionen US-Dollar ein. Tron ist die Geschichte des Programmierers Kevin Flynn (Jeff Bridges), der von einer Strahlenkanone digitalisiert wird und sich als Programm in einem Computernetzwerk wiederfindet. Hier lernt er andere Programme wie den titelgebenden Tron kennen und kämpft gegen das böse Master Control Program. Dabei muss Flynn immer wieder in Gladiatorenspielen, die an Pong oder Rennspiele erinnern, gegen andere Programme antreten.
Herausragend an Tron war die Optik. Die digitale Welt und die Programme erschienen durch neonstrahlende Effekte auf dunklem Untergrund unglaublich futuristisch. Das Design des französischen Comic-Künstlers Moebius vermittelte den Eindruck einer völlig fremden digitalen Welt. Dazu kamen erste einfache Computeranimationen, die sich hervorragend in die Optik der stark bearbeiteten Szenen einfügten.
Der Filmkritiker Roger Ebert schrieb damals in der Chicago Sun-Times, dass dies ein fast gänzlich technologischer Film sei. Für diejenigen, die sich in den Gaming Arcades zu Hause fühlten, war Tron eine Offenbarung. Der Gamer/Hacker war hier nicht ein unsportlicher pickeliger Teenager wie in vielen anderen Komödien der Zeit, sondern der Filmstar Jeff Bridges. In der Eröffnungsszene in der Game Arcade sieht man auch Spielerinnen, die kompetent und attraktiv sind. Sobald Flynn sich im Computer befindet, erkennen Gamer*innen sofort die Mechanismen der digital-verspielten Welt wieder. Tron trug dazu bei, dass sich Gamer*innen als eine gesellschaftliche Gruppe identifizieren konnten und sich anerkannt fühlten. Denn der Großteil der Gesellschaft stand dem Hobby immer noch misstrauisch gegenüber.
Klempnergucken im Kino
Im Jahr 1993 begann Hollywood mit Videogame-Lizenzen zu experimentieren. Vielleicht hatte der Erfolg von Tron in den 1980ern die Aufmerksamkeit der Filmindustrie geweckt: Wenn schon ein Film über erfundene Videogames so gut ankam, wie gut musste sich dann ein Film mit einer richtigen Videogame-Lizenz verkaufen? Denn die Verwertungslogik von Hollywood orientiert sich in der Regel an der Bekanntheit von Stoffen. Ein brandneues Drehbuch ist ein größeres unternehmerisches Risiko als eine Romanverfilmung, bei der sich die Vorlage schon ein paar Millionen Mal verkauft hat. Und da Super Mario Bros. Millionen von Einheiten abgesetzt hatte, konnte ein Film über die beiden springenden Klempnerbrüder ja nur ein Erfolg werden. 1993 war es dann endlich so weit, Super Mario Bros. kam in die Kinos – und floppte.
Im Vorfeld war alles schiefgegangen, was schiefgehen konnte: Das Drehbuch wurde teilweise mitten im Dreh umgeschrieben, der Film schwankte zwischen erwachsenem Action-Drama und kindgerechter Komödie, alle Beteiligten wurden zunehmend frustrierter, King-Koopa-Darsteller Dennis Hopper bezeichnete die Dreharbeiten als "Albtraum" und die Schauspieler der beiden Mario-Brüder, Bob Hoskins und John Leguizamo, begannen während der Dreharbeiten zu trinken. Hoskins antwortete 2011 in einem Interview auf jede der drei Fragen "Was war der schlimmste Job, den Sie je gemacht haben?", "Was war Ihre größte Enttäuschung?" und "Wenn Sie Ihre Vergangenheit umschreiben könnten, was würden Sie ändern?" mit "Super Mario Bros.". Das Einspielergebnis gab ihm recht: Mit knapp 20 Millionen US-Dollar war noch nicht einmal die Hälfte der Kosten von knapp 48 Millionen Dollar wieder reingekommen.
Immerhin war der Super Mario-Film von 1993 die erste Videogame-Verfilmung, richtig? Nein, nicht einmal das hat der Flop erreicht. Die Filmindustrie in Japan war fünf Jahre eher dran: 1988 kam Mirai Ninja, die Verfilmung eines Arcade-Games gleichen Namens, in die Kinos. Der Film, der auch als Cyber Ninja, Warlord und Robo Ninja vermarktet wurde, ist heute eher vergessen. Aber, so viel sei gesagt: Auch er ist keine Perle der Filmkunst. Mirai Ninja und Super Mario Bros. begründeten die jahrzehntelange Tradition, dass Videogame-Verfilmungen nichts taugen.
Die Dr.-Boll-Methode
2003 war der Klempner-Albtraum in Form des Super Mario-Kinofilms schon zehn Jahre her. Zehn Jahre, in denen Hollywood sich bei der Verfilmung von Videogames nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatte. Bisherige Highlights waren Final Fantasy: The Spirits Within, mit immerhin 44 Prozent positiver Kritiken im Tomatometer auf der Filmkritikseite Rotten Tomatoes Spitzenreiter des Jahrzehnts, sowie Lara Croft: Tomb Raider, der über 270 Millionen Dollar eingespielt hat (nur 20 Prozent positive Kritiken im Tomatometer). Über andere Werke wie Mortal Kombat oder Wing Commander lässt sich eigentlich nur der Mantel gnädigen Schweigens breiten.
Und dann kam Dr. Uwe Boll mit seinem Werk House of the Dead. Der Filmkritiker David Gerhold kommentierte im Kulturblog Fischpott, die erste Szene der Filmversion des Zombie-Arcade-Shooters wirke wie eine Parodie: "Untermalt von generischem Billig-Techno liefert der vermeintliche Protagonist monoton murmelnd einen Monolog ab, wie ihn Snoopy aus den Peanuts-Comics ("Es war eine dunkle und stürmische Nacht") nicht klischeehafter hätte schreiben können." House of the Dead gilt zu Recht als einer der schlechtesten Filme aller Zeiten. Die 90-Minuten-Fassung wurde damals indiziert.
Da ist noch mehr...
Dieser Artikel ist ein Auszug aus Fabian Mauruschats Buch "Eine kleine Geschichte der Videogames", das sich für 10 Euro käuflich erwerben lässt – falls du Lust auf mehr Geschichten wie diese hast.
Hier bestellenBoll konnte es egal sein, denn für seinen Karrierestart als Regisseur vor allem von Videogame-Verfilmungen hatte er eine gut funktionierende Finanzierungsmethode entwickelt. Zum einen spielten die Filme beim DVD-Release meist mehr ein als beim Kinostart. Zum anderen gab es noch die Medienfonds. "267 Millionen Euro hat Boll über die Jahre in elf Medienfonds eingesammelt", schrieb 2007 die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Denn die Einzahlungen in die Fonds, mit denen Boll Werke wie Alone in the Dark (Tomatometer 1 Prozent) oder BloodRayne (4 Prozent) finanzierte, konnten als Verluste steuerlich abgesetzt werden. Spielten sie in den folgenden Jahren doch noch Geld ein, konnte das unter Umständen dann zu besseren Konditionen versteuert werden. Als diese Steuerlücke 2005 geschlossen wurde, hatte Boll immer noch genug Geld für weitere Filme: Insgesamt drehte er zehn Videospielverfilmungen und ist damit der Regisseur mit den meisten Game-Adaptionen.
Seine zahlreichen weiteren Filme waren in der Regel kontrovers – etwa Darfur oder Ausschwitz, die Völkermord und Shoa thematisierten. Für einige Zeit zog sich Boll, der auch schon einmal öffentlichkeitswirksam Kritiker*innen zum Boxkampf forderte und vermöbelte, vom Filmemachen zurück. 2021 fiel er erneut mit negativen Schlagzeilen auf, als er einen Film über das rassistische Attentat von Hanau drehte.
Mit Orks im Kino
Der Filmkritiker Ryan Syrek schrieb über den Film Warcraft – The Beginning von 2016, dass es eines Tages eine Videospieladaption geben werde, die Liebhaber des Genres und Filmliebhaber vereine. Heute sei nicht dieser Tag. Dies liest sich auch als ein Fazit aus fast 30 Jahren Videogame-Verfilmungen. Der Warcraft-Film war zwar mit einem Einspielergebnis von 439 Millionen US-Dollar ein Kassenerfolg, aber für die Kritik sah das alles nicht so überzeugend aus.
Zu viel Inhalt hatte Regisseur Duncan Jones in die Game-Verfilmung gepackt, zu viel Vorgeschichte hatte sich in mehr als 20 Jahren Warcraft-Historie angesammelt. Warcraft-Fans fanden sich in dem Film einigermaßen zurecht. Zum Glück für Blizzard und die beiden beteiligten Filmstudios Legendary Pictures und Universal Pictures spielten 2015 mindestens fünf Millionen Menschen World of Warcraft. Und auch wenn in den USA nicht viele Leute in die Kinos strömten, fand Warcraft auf dem internationalen Markt sein Publikum. In China brach die Orks-treffen-zum-ersten-Mal-auf-Menschen-Story gleich mehrere Rekorde mit Einnahmen von 46 Millionen US-Dollar schon am ersten Tag.
Das Schlimmste war übrigens schon im Vorfeld verhindert worden: "Wir werden die Filmrechte nicht verkaufen, nicht an Sie – schon gar nicht an Sie." An diese Reaktion von Blizzard erinnert sich Uwe Boll laut MTV, nachdem er Interesse daran bekundet hatte, die Regie bei Warcraft zu übernehmen.
Trotzdem, so langsam schien sich in der zweiten Hälfte der 2010er die Qualität der Videogame-Verfilmungen auf solides Mittelmaß einzupendeln. Nach der offiziell anerkannten Gurke Assassin's Creed von 2016 – nominiert für fünf Goldene Himbeeren – erwiesen sich die Verfilmungen Tomb Raider, Sonic the Hedgehog und Meisterdetektiv Pikachu als recht unterhaltsam. Selbst die trashige Arcade-Game-Verfilmung Rampage, in der Dwayne Johnson gegen einen mutierten Riesenalligator und einen riesigen Fledermauswolf kämpft, hatte einen gewissen Unterhaltungswert.