Nicht nur die Gaming-Hardware muss klimafreundlicher werden
Videospiele sind ein teures Hobby. Die neueste High-End-Grafikkarte von Nvidia kostet mit knapp 2.000 Euro so viel wie eine aktuelle Konsole und ein riesiger Fernseher zusammen. Für Vollpreisspiele werden zum Release 60 Euro oder mehr fällig. Und wer alle Titel spielen möchte, braucht am besten gleich mehrere Geräte zuhause. Eine anderere Akteurin zahlt allerdings noch mehr als leistungsfokussierte Spieler*innen: Die Umwelt.
Denn die Produktion von Smartphones, PCs und Konsolen ist ressourcen- und emissionsintensiv. Um Elektrogeräte herzustellen, werden begrenzt verfügbare seltene Erden benötigt. Und am Ende bleibt häufig ein Haufen Plastik über, wenn das nächste iPhone oder die nächste Hochleistungs-CPU gekauft werden will.
Aber die Hardware ist nicht der einzige Aspekt, an dem die Spielebranche klimafreundlicher werden kann, sagt Jens Gröger. Der Wissenschaftler, Diplom-Ingenieur und Kommunikationselektroniker ist für das Freiburger Öko-Institut tätig und beschäftigt sich unter anderem mit den Auswirkungen unserer digitalen Leben auf den CO₂-Ausstoß.
Klimakiller Unterhaltungselektronik?
"Bei den digitalen Aktivitäten gibt es vier Anteile, die zu den CO₂-Emissionen beitragen", sagt Gröger. Neben der energieintensiven Herstellung der Geräte spiele auch der lokale Stromverbrauch eine Rolle. Ein Smartphone habe beispielsweise zwei Watt Energieaufnahme, während bei einem Gaming-Rechner schon mindestens 100 Watt anfallen.
"Der dritte Beitrag ist die Datenmenge, die für irgendeine Aktivität im Internet übertragen wird", sagt Gröger. "Ein Foto hochzuladen erzeugt beispielsweise 0,1 Gramm, eine Stunde Videostreaming erzeugt 1,5 Gramm CO₂." Unter den vierten Punkt fallen laut Gröger Rechenzentren, in denen etwa die Server für Steam-Downloads oder Fortnite-Partien stehen. Im Jahr 2020 waren Rechenzentren allein in Deutschland für rund 6,1 Tonnen CO2-Ausstoß verantwortlich.
Laut Schätzungen Grögers fallen alleine durch die Nutzung von Informationstechnik wie Smartphones, Fernsehern oder PCs durchschnittlich 711 Kilogramm CO₂ pro Kopf im Jahr an – fast drei Viertel der einen Tonne Kohlenstoffdioxid, die laut Berechnungen des Umweltbundesamts pro Bürger*in für den Klimaschutz maximal emittiert werden darf.
Gröger bietet eine Webseite an, mit der man seinen eigenen digitalen CO₂-Fußabdruck berechnen kann. Wer beispielsweise vier Stunden pro Tag vor dem Fernseher an der Konsole spielt, verbraucht laut Schätzungen des Tools 437 Kilowattstunden pro Jahr und hinterlässt zusammen mit dem Herstellungsaufwand einen CO₂-Fußabdruck von 400 Kilogramm.
Wie optimierte Software das Klima schützen könnte
Entgegen der Aussagen von durch die Ölindustrie finanzierten PR-Kampagnen können Spieler*innen selbst diesbezüglich wenig tun. Die leistungsfähigen Hardwarekomponenten und Konsolen sind kaum mit Stromsparmodi kompatibel. Gröger zufolge gibt es nur eine echte Möglichkeit für Gamer*innen: Weniger spielen. "Alles andere ist mehr oder weniger die Aufgabe der Anbieter, beispielsweise 3D-Renderings zwischenzuspeichern, um den Aufwand nicht jedes Mal neu zu haben", sagt Gröger.
Denn "softwareseitig ist da sicher einiges möglich", sagt Gröger. "Wir haben auch normale Software getestet, Browser und Textverarbeitungsprogramme, und haben festgestellt, dass es da riesige Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern gibt." Die Umweltkosten von Hardware und physischen Datenträgern lassen sich nur begrenzt reduzieren, an der Wurzel der Spiele selbst ließe sich allerdings zumindest theoretisch ansetzen.
Der Hackathon der SoftAWERE-Initiative am 23. September in Berlin, der unter anderem vom Wirtschaftsministerium gefördert wurde, stellte diesbezüglich eine erste Feuerprobe dar. Entwickler*innen bekamen dabei Messwerkzeuge für CPU-, RAM-, Festplatten- und Netzwerkauslastung und sollten beispielsweise Audiodatei-Bibliotheken diesbezüglich optimieren. Ähnliche Konzepte könnten auch auf die Spieleprogrammierung übertragen werden – denn eine nicht voll ausgelastete Grafikkarte verbraucht weniger Strom, hat eine längere Laufzeit und ist so klimafreundlicher.
Cloud-Gaming ist auch keine Lösung
Dieser Fokus auf eine unsichtbare Ebene des Umweltschutzes und der Emissionsvermeidung ist trotz aller technologischen Fortschritte in der Unterhaltungselektronik nötig. Denn selbst Cloud-Anwendungen, die leistungsstarke Hardware zuhause perspektivisch überflüssig machen, sind kein Allheilmittel. Die Beliebtheit von Diensten wie Xbox Cloud Gaming könnte sogar eher zum Problem als zur Lösung beitragen.
"Wenn ich 100 leistungsstarke Server für Cloud-Betrieb in einem Rechenzentrum stehen habe, kann ich durch den Skalierungseffekt natürlich viel mehr Leute bedienen", sagt Jens Gröger. "Andererseits schlägt dann immer gleich der Rebound zu: Wenn etwas billig und in großen Mengen angeboten wird, wird es auch in großen Mengen konsumiert. Wenn LED-Lampen zum Beispiel weniger Strom brauchen, ist das zwar super, aber dann habe ich eben auch mehr Lampen zuhause."
Ansätze, um Games klimafreundlicher zu machen, gibt es. Jetzt ist es an Entwickler*innen und Engine-Hersteller wie Epic oder Unity, sich statt über die nächste Achterbahnfahrt ins Uncanny Valley darüber Gedanken zu machen, ob man den Klimawandel nicht mittels der Stärken der Branche angehen kann – mit Problemlösung durch spielerische Innovation.