Pokémon-GO-Creator reisen um die Welt, um virtuelle Monster zu fangen
Der große Hype ist längst vorbei – aber immer noch spielen unzählige Menschen Pokémon Go. Um eine kleine Zahl von Influencer*innen bilden sich aktive Communities. Doch der Sprung zum Creator-Dasein ist kein leichter.
Das Wetter ist nicht das beste für einen Tag im Park. Immer wieder regnet es an diesem Freitagvormittag im Britzer Garten in Berlin, die aufgebauten Zelte flattern im Wind. Doch die Menschen interessiert die Witterung kaum. Selbst der Park, der in den 1980ern für die Bundesgartenschau angelegt wurde, ist weniger interessant. Ihnen geht es vor allem um eines: Die Jagd auf Pokémon.
Das Pokémon GO Fest, das Anfang Juni erstmals in Berlin stattfindet, ist ein großer internationaler Treffpunkt für die immer noch große Szene. 40.000 Menschen sind angereist – nicht nur, um einem Relaxo mit Cowboyhut nachzujagen, das es hier exklusiv gibt. Unter ihnen sind auch mehrere Menschen, die eine Karriere aus Pokémon GO gemacht haben oder noch machen wollen.
"Ich toleriere einfach nicht viel Bullshit"
ZoëTwoDots steht am Meet-and-Greet-Stand und spricht fleißig mit ihren Fans. Sie bekommt Geschenke, macht Selfies, führt kurze Gespräche während sich noch mehr Leute in die Schlange schmuggeln, obwohl diese eigentlich schon geschlossen ist. Zoë gehört zu den größten Namen in der Szene. Sie betreibt einen Youtube-Kanal mit 228.000 Abonnent*innen, bei Instagram folgen der 29-Jährigen gut 51.000 Menschen. Für das Pokémon GO Fest hat Entwickler Niantic sie extra aus Australien eingeflogen.
Ihre Community bestehe aus "Good Eggs", sagt Zoë beim Gespräch unter einem Baum, zum Schutz vor dem Regen. Der Wind zieht, es ist kalt. "Meine Community ist sehr fürsorglich und einfühlsam, sie haben einen guten Humor und sind sehr inklusiv." Dafür sorgt die Influencerin auch selbst: "Ich toleriere einfach nicht viel Bullshit", sagt sie. "Wenn jemand kommt und nerven will, habe ich da keine Zeit dafür. Entweder ich blocke die Person oder trolle ein bisschen zurück. Hau sie mit dem Ban-Hammer und geh weiter."
"Alles, was ich brauchte, war meine Kamera und mein Handy"
Zoë ist schon seit ihrer Kindheit Pokémon-Fan. Schon 2016, vor der Veröffentlichung des Handyspiels, verfolgt sie online die Gerüchte um den Release. "Ich habe mich sofort vorregistriert", sagt sie. "Am Erscheinungstag saß ich gerade bei der Arbeit, als jemand zu mir gerannt kam und sagte: Hast du gesehen? Das Spiel ist früher rausgekommen! Also habe ich es heruntergeladen, bin in meiner Mittagspause direkt raus und habe es am ersten Tag gespielt."
Obwohl Pokémon GO in Australien mitten im Winter erscheint, strömen dort wie in Europa unzählige Menschen auf die Straßen, erleben sie durch ihre Bildschirme neu und knüpfen langfristige Bindungen mit anderen Fans. In Zoës Gegend gebe es beispielsweise einen Pier, an dem sich jeden Abend Menschen versammelten. Hier habe sie auch Leute kennengelernt, mit denen sie bis heute befreundet ist.
Pokémon GO brachte sie auf den Weg ihrer Creator-Laufbahn. "Ich wollte schon immer etwas mit Gaming, Streaming oder etwas in die Richtung machen", sagt Zoë. "Ich habe mit Travel-Vlogs angefangen. Als das Spiel dann herauskam, war alles, was ich brauchte, meine Kamera und mein Handy."
Am Anfang steht der Grind
Ganz so einfach war es im Endeffekt aber nicht, vor allem zu Beginn. "Der Grind am Anfang ist wirklich, wirklich, wirklich hart", sagt sie. Damals habe sie noch Vollzeit in einem Bürojob gearbeitet. "Es kam der Punkt, an dem Youtube noch nicht genug abgeworfen hat, aber ich meinen regulären Job nicht mehr wirklich gemocht habe. Ich hatte noch etwas Geld angespart und habe es einfach für ein, zwei Monate ausprobiert. Danach hätte ich immer noch wieder einen Schreibtisch-Job anfangen können. Mit viel harter Arbeit hat es für mich funktioniert." Wie sich diese Entscheidung damals angefühlt hat? "Das war ein bisschen gruselig, aber auch befreiend."
Mit Pokémon GO kann Zoë Reisen und Gaming verbinden. "In einer neuen Stadt starte ich oft einfach das Spiel und schaue, was für Pokéstops um mich herum sind. Hier ist ein Garten, da gibt es Murals oder Kunst an der Straße. Und diese Orte kann ich durch das Spiel finden und dann wirklich auch dorthin gehen und sie entdecken."
Mittlerweile reiche es für sie zum Leben, sagt sie. Allerdings mache sie auch alles selbst: "Schauspielerin, Skript-Autorin, Marketing, Regie, das macht man alles."
Vom Hobby zum Vollzeit-Job
Das "Couple of Gaming", wie sich Yaaya und Ayzo nennen, kann sich die Arbeit teilen. Die beiden 29-Jährigen sind seit zwei Jahren verheiratet und leben seit kurzem davon, Inhalte über Pokémon GO zu produzieren. "Wir machen das aktuell Vollzeit, so viel es geht", sagt Yaaya. Angefangen hätten die beiden vor fünf Jahren mit Infografiken auf Instagram. Dort folgen den beiden mittlerweile rund 138.000 Menschen.
Vor eineinhalb Jahren starten sie mit Live-Streams auf Twitch. Auch während des Gesprächs läuft der Stream der beiden. "Es war ein Hobby", ergänzt Ayzo. Angefangen hätten sie während der Uni – einen festen Job für das Leben als Creator aufgeben mussten die beiden nicht.
"Wir arbeiten sehr viel", sagt Yaaya. Die Grafiken machen die beiden weiter, für eine davon brauche man drei bis fünf Stunden. Das Streaming kommt hinzu, ebenfalls oft vier bis fünf Stunden, zu besonderen Anlässen auch mal zwölf oder 18 Stunden am Stück. Mit dem Workload kämen sie aber gut zurecht. "Das Schöne ist, dass du es dir selbst einteilen kannst", sagt er.
Im Zick-Zack durch die neue Stadt
Auch das Paar erzählt, wie es Orte mit dem Spiel entdeckt. "Du verbindest alles mit dem Spiel. Du weißt: Da ist dieser Pokéstop. Da ist ein Pokémon. Und dann läufst du halt auch mal im Zick-Zack durch eine neue Stadt, die du gar nicht kennst", sagt Yaaya.
Das Paar habe hier und da mal ein Sponsoring, werde aber hauptsächlich durch ihre Community finanziert: Abos, Spenden, Werbung. Auch Niantic unterstützt.
Und auch, wenn Pokémon GO aus den Medien mittlerweile verschwunden ist, sei die Community des Spiels immer noch groß genug, sagt Yaaya. "Man sieht nicht mehr diese großen Ansammlungen von Spielern, wie es 2016 war. Aber das Verlangen nach dem Spiel ist immer noch da. Es gibt ja auch immer wieder neue Pokémon und neue Events. Das zieht sich noch!", ist er sicher.
Zu ihrer Community fällt ihnen als erstes das Wort "liebevoll" ein – ähnlich wie bei Zoë. "Und das Tolle ist, die kommen von überall auf der Welt", sagt Yaaya.Ihr Publikum sei zu ihren Freund*innen geworden, ergänzt Ayzo. "Die sind jeden Tag dabei, unterstützen und helfen uns bei allem. Das ist schon richtig krass."