16 queere Games, die sich auch ohne Bundle lohnen
Das Queer Game Bundle enthält hunderte Spiele. Hier sind ein paar Tipps daraus, bei denen ihr mit dem Spielen anfangen könnt.
Wenn dieser Beitrag erscheint, gibt es das Queer Games Bundle noch ein paar Tage lang zu kaufen. Für 60 Dollar (oder 10, wenn ihr knapp bei Kasse seid) bekommt ihr hunderte faszinierender, experimenteller, intimer, trauriger, witziger kleiner Spiele. Bunter als dieses Bundle wird der Pride-Month nicht mehr. Damit ihr euch in dieser Menge an Spielen besser zurecht findet, haben Superlevel-Autor*innen ein paar davon ausprobiert und in dieser Empfehlungsliste zusammengetragen.
Brassica – A Marry Tale
Drei Prinzen halten um die Hand einer Prinzessin an. Um auszuwählen, wer als zukünftiger Bräutigam aus den Verhandlungen hervorgeht, werden die Konkurrenten auf eine gefährliche Mission geschickt. Sie sollen der royalen Tochter binnen fünf Tagen eine spezielle Blume, die "Brassica Lilie", bringen.
Doch die Reise birgt einige Tücken und irgendwie scheinen die ursprünglichen Rivalen Prinz Saffron, welchen wir spielen, immer attraktiver zu werden... Währenddessen verfolgt die Prinzessin zusammen mit ihrer heimlichen Geliebten ganz eigene Ziele: die drei Prinzen irgendwie loszuwerden!
Trotz (oder vielleicht auch wegen) einiger Klischees ist dieser Datingsimulator von Boys Laugh + aus Bremen, der für den Yaoi Jam 2018 entwickelt wurde, zum Schreien komisch und wartet außerdem mit einer wirklich spannenden Story und mehreren Enden auf. Aktuell sind jedoch nur zwei von insgesamt fünf Akten (Tagen) spielbar. (von Nele Wobker)
All in Love and War
Das Militär ist ein von traditionellen Männlichkeitsidealen geprägter Raum und Homosexualität dort bis heute ein Tabuthema – umso naheliegender, gerade hier eine dramatische Liebesgeschichte zwischen zwei Männern anzusiedeln. Die beiden Marine-Soldaten Jayden Jones und sein Vorgesetzter Walter Hardy hadern aber nicht nur mit Heteronormativität, sondern auch mit dem Umstand, dass die Hierarchien und Gesetze der Marines Beziehungen wie ihre ausdrücklich verbieten.
Ursprünglich 2021 für einen Game Jam entwickelt, nimmt sich die Visual Novel des schwulen US-Amerikaners ChellayTiger viel Zeit für die beiden Hauptfiguren und ihre Gefühle. Während Protagonist Jayden tagsüber den knallharten Soldaten mimt, gibt ihm der intime Kontakt zum herzlichen und offenen Walter die Möglichkeit, sich zu öffnen und zunehmend von seiner verletzlichen Seite zu zeigen, auch beim Sex (der sehr explizit, aber optional ist). Die Qualität der Dialogtexte ist eher durchwachsen, aber vermögen letztlich doch zu berühren. (von Nina Kiel)
2 9 0 1 / / FREELANCER
Magenta Skull, die Entwicklerin von 2901//FREELANCER, versteht sich in erster Linie als Musikerin und Grafikerin – entsprechend sollte ihr Werk als Kunstprojekt betrachtet werden. Sie selbst beschreibt es durchaus passend in einem Tweet als "trashige Simulation über das Leben in einer kaputten Zukunft".
2901//FREELANCER stellt einen krassen Gegenentwurf zu AAA-Spielen dar und übt Kapitalismuskritik in einer rohen, abgebrühten Cyberpunk-Zukunftswelt als Setting. So, wie es bei anderen Kunstarten schwierig sein kann, diese zu (be)greifen, ist es auch in diesem Spiel schwer, sich überhaupt zu orientieren. Wir werden nicht an die Hand genommen und stattdessen ins kalte Wasser geworfen.
Dadurch kann es sogar passieren, dass man aus Versehen im falschen Spiel landet und das eigentliche gar nicht erst findet. Ein Tipp: Wer dieses komplexe und verwirrende Gemälde gerne ausprobieren möchte, sollte am Anfang die rechte Person ansprechen, um das richtige Spiel zu starten. (von Nele Wobker)
To Be With You
Nach mehreren Jahren in einer Fernbeziehung erfüllt sich für Alsie endlich der Traum einer gemeinsamen Wohnung mit ihrem Partner James. Doch etwas stimmt nicht: James Verhalten ihr gegenüber verändert sich plötzlich. Und nach und nach zweifelt Alsie immer mehr an sich selbst und ihrer Beziehungsfähigkeit.
Die knapp einstündige Visual Novel To Be With You erzählt keine ausdrücklich queere Geschichte, sondern widmet sich mit dem Thema toxischer Beziehungsdynamiken einem universellen Problem. Entwicklerin Cara Hillstock verarbeitet darin ihre eigenen Erfahrungen und schildert mit einfachen Mitteln – textbasierter Interaktion, simplen Strichzeichnungen und einem dezenten Sound Design – eindrücklich, wie sehr anhaltende emotionale Manipulation einen Menschen verändern kann.
Eine schöne Idee: Nach dem ersten Spieldurchlauf schaltet man einen "Director's Commentary" frei, in dem Hillstock die im Spiel abgebildeten Manipulationstechniken ausführlich erklärt. Dementsprechend bietet es nicht nur eine beklemmende, emotionale Erfahrung, sondern leistet auch wichtige Aufklärungsarbeit. (von Nina Kiel)
Dwarven Destiny
Was uns in Dragon Age bislang nicht möglich war, wird in Dwarven Destiny zum Mittelpunkt des Spiels: Wir können dort nicht nur endlich, sondern ausschließlich mit männlichen Zwergen anbändeln. Unser Spielcharakter ist ein magisch begabter Mensch, der ins Zwergenkönigreich Stonepeak gerufen wird, um die Ursprünge eines mysteriösen Artefakts zu untersuchen. Stonepeak stellt sich als besonders queerfreundlich heraus, die Reiche der Menschen drumherum hingegen nicht.
Da der über Patreon finanzierte Datingsimulator von Griffonheart sich noch in der Entwicklung befindet, ist manches derzeit unfertig. Aktuell stehen uns sechs "Hot and Hairy Dwarf Daddies" zur Verfügung, von denen manche sich auch gleichzeitig daten lassen. Das klassische, oft hypermaskuline und zum Teil toxische Zwergenbild wird in Dwarven Destiny auf eine verspielte, sexy Art und mit einem Augenzwinkern gebrochen. (von Nele Wobker)
They Seem to be Very Good Friends
Videospiele lassen uns mittlerweile daten wen wir wollen, solange der Charisma-Skill hoch genug gelevelt ist. They Seem to be Very Good Friends ist ein Spiel darüber, wen wir nicht daten dürfen. Als Puzzle im Stil von Sokoban werden Männer und Frauen statt Kisten verschoben – und nebeneinander, um sie zu verkuppeln.
Aber wer hier wen lieben darf, liegt nicht so frei in unserer Hand, wie es scheint. Mit einfachsten (und dank zahlreichen Memes auch witzigsten) Mitteln kommentiert das Spiel der kanadischen Programmierer*in Rafiki so die Grenzen, die Spiele oft nicht mehr haben, die Gesellschaft um uns herum aber schon. (von Daniel Ziegener)
We should talk
In einer Bar, optional flirtend mit Barkeeperin Steph, meldet sich unsere Freundin Samantha via Textnachricht, die sich zum gemeinsamen Nudelessen (und mehr) verabreden möchte. Doch in der Bar lauert die Versuchung in Form von einem datingwilligen Fremden, einem Ex-Freund, der zurück in der Stadt ist, und Alkohol. Dass Sam uns unterdessen regelrecht mit Textnachrichten bombardiert, macht es nicht unbedingt leichter.
Schaffen die beiden Frauen es, ihre Beziehung zu retten? Wollen sie das am Ende überhaupt noch oder ziehen sie die Trennung vor? Es liegt an uns, welches der neun möglichen Enden ihre Geschichte nimmt – und zwar durch aus je drei Satzfragmenten zusammengesetzten Dialogoptionen. Es ist unglaublich, was für unterschiedliche Aussagen sich damit treffen lassen. (von Nele Wobker)
Princess in the Tower Block
Zu Beginn von Princess in the Tower Block wählen wir unser Gender zwischen princess, princexx und prince. Unsere Spielfigur lebt seit Monaten alleine und isoliert in ihrer Wohnung, weil die Welt draußen eine toxische Höllenlandschaft ist. Doch jede Nacht träumt sie Märchenhaftes von einer wunderschönen, bärtigen Prinzessin.
Diese Träume verändern die Wohnung. Beispielsweise finden wir im Badezimmerschrank eines Morgens "boys-" und "girls-juice", wovon wir nach Belieben kosten können. Auch die folgenden Träume lassen sich beeinflussen und führen so zu unterschiedliche Enden der Geschichte. (von Nele Wobker)
Good Morning Hon
Good Morning Hon schafft es in nicht einmal zehn Minuten Spielzeit, ein starkes Statement zu setzen und lässt diejenigen, die die Botschaft verstehen, mit einem Kloß im Hals und vielen Denkanstößen zurück. Es handelt von einem scheinbar völlig normalen Morgen im Leben von Protagonistin Ash und ihrer Verlobten Eve.
Eve ist Studentin, Ash eine Freelancerin. Beide scheinen ziemlich unterschiedlich zu sein, das gemeinsame Leben jedoch in vollen Zügen zu genießen. Doch Ash kann das seltsame Gefühl, etwas vergessen zu haben einfach nicht abschütteln…
Mit viel Feinsinn und Gespür für grafische Inszenierung, Stimmung und Charaktere schuf die argentinische Entwicklerin Jess Andz, von der auch Not Alone stammt, eine wirklich außergewöhnliche Visual Novel im RGP-Maker-Stil. (von Nele Wobker)
Not Alone
Auf den ersten Blick wirkt Not Alone wie ein hübsches Wohlfühlspiel, doch nach wenigen Sekunden erweist es sich als das genaue Gegenteil. Wie schon Good Morning Hon von der selben Entwicklerin, ist auch Not Alone nur wenige Minuten lang, wartet aber dennoch mit vier verschiedenen Enden auf. Spoiler: Nur eines davon ist positiv – und titelgebend für das Spiel.
Diese unterschiedlichen Ausgänge erreichen wir durch Interaktionen, Passivität oder Ja-/Nein-Antworten. Es liegt allein in unseren Händen, ob die Spielfigur ein Happy End erleben darf und der Einsamkeit entfliehen kann. (von Nele Wobker)
Sister Spring, Brother Winter
Bei 30 Grad im Schatten ist eine Märchengeschichte über den Winter vielleicht genau das richtige. Sister Spring, Brother Winter erzählt die Geschichte vom Schichtwechsel der Wächter*innen über die Jahreszeiten. Ein Waldgeist muss dafür in den düsteren Wäldern nach neun Teilen der Sonne suchen.
Die märchenhafte, mitunter alberne Kurzgeschichte gibt auch ein wenig Hoffnung, dass düstere Zeiten vorübergehen und belohnt die fünfminütige Erkundungstour mit eigenwillig schöner Halb-3D-Pixelgrafik in einer modifizierten Version der Adventure-Engine Bitsy. (von Daniel Ziegener)
Fog and Sea
In diesem Game-Jam-kreierten, halbstündigen Spiel von unseconds, geht unsere Reise nach dem Ableben erst los. Als Geist im Jenseits angekommen, dürfen wir zwischen zwei Geisterstädten wählen, die von mystischen Kreaturen namens Fog und Sea repräsentiert werden. In seltsam intimen, aber angenehmen Dialogen versuchen wir uns nun für eine der beiden Städte und somit für Fog oder Sea zu entscheiden.
Fog stellt sich als schwermütig, wohlig und einmummelnd heraus, Sea als ungestüm, flirty und umspielend. Beide sind jedoch klug, charismatisch und an einer Bindung interessiert. Diese Visual Novel bietet eine ganz besondere Ästhetik und Prosa, mit einem Wordbuilding, bei dem man sich einfach wohlfühlt, ohne direkt beschreiben zu können, woran das liegt. (von Nele Wobker)
Weltschmerz
Desorientiert wacht unser Spielcharakter Aspen in einem ominösen Zugabteil, einem anderen Mann gegenüber, auf – Zeke. Beide wissen nicht, wie sie in diesem Waggon gelangt sind. Das kurze Weltschmerz hat drei mögliche Enden und wurde 2021 für einen Game Jam entwickelt, in dem nur drei Assets verwendet werden durften. Das Ergebnis ist durchaus sehenswert und stimmungsvoll. Das Entwickler*innenteam tofurocks macht dem Namen Weltschmerz alle Ehre – ein nachdenkliches, melancholisches Spiel zum Thema Existenz, Veränderung, Widerstand und einer Welt in Flammen. (von Nele Wobker)
Will Die Alone
Dewitt ist ein Unternehmen, das einen ganz speziellen Service anbietet: Mitarbeitende können einen Blick in die Zukunft der Klient*innen werfen und Erinnerungen aus ihrer Vergangenheit löschen. Als Alex ist es unsere Aufgabe, eine gute Dewitt-Angestellte zu sein und unter dem Vorwand der Nächstenliebe in dieser dystopischen Erzählung die richtige Entscheidung zu treffen. In dem komplexen Gefüge von Erinnerung, Erfahrung und Entscheidung wird jedoch schnell deutlich, dass Alex ebenso hilflos ist wie ihre Klient*innen. Jede Entscheidung ist willkürlich und gleichzeitig bedeutsam.
Will Die Alone ist ein Spiel über die Macht von jenen, die sich als Visionäre bezeichnen, während sie auf Kosten anderer ihren Konzern als unumgänglichen Schritt in die richtige Zukunft propagieren. Es ist auch ein Spiel über toxische Kommunikation am Arbeitsplatz, unrealistische Erwartungshaltungen und die unmögliche Aufgabe Familie und Job getrennt zu halten und doch zu aller Zufriedenheit vereinbaren zu können. Arianna Ravioli und Fantastico Studio zeigen mit dem sprichwörtlichen Zeigefinger Richtung Therapie und illustrieren in wenigen Minuten, dass es keine einfache Lösung für komplexe Probleme gibt. (von Christina Kutscher)
Grunge
Grunge geht ganz schön an die Nieren. Nicht ohne Grund haben die Entwickler*innen von Cross X Comix eine Altersempfehlung von mindestens 16 Jahren ausgesprochen, obwohl das in den 90ern angesiedelte RPG auf den ersten Blick harmlos aussieht.
Die Geschichte beginnt mit dem Epilog, der Trennung zweier junger Frauen. Es folgt ein Zeitsprung in die Vergangenheit: Unsere 14 Jahre alte Protagonistin Seraphina, zieht mit ihrer frisch geschiedenen Mutter nach North Carolina. An der Highschool schlagen ihr Hass und Gewalt entgegen. Der einzige Lichtblick: Carmen, ein cooles Mädchen, das auf die Band Nirvana steht. Seraphina unternimmt alles, um sich mit Carmen anzufreunden und knüpft dabei weitere Kontakte.
Im mit dem RPG Maker erstellen, mehrstündigen Spiel erforschen wir die Highschool und die Wohnorte verschiedener Schüler*innen. Dabei lauern hinter jeder Ecke Bullies und gemeine Mädchen, die rundenbasiert bekämpft werden. Obwohl ständige Kämpfe und langatmige Dialoge auf Dauer etwas nerven und Grunge voller Coming-of-Age-Klischees steckt, sind Story und Figuren tiefgründig und interessant genug, um das Interesse zu halten. Und im Mittelpunkt die Frage: Wie kommt es zur im vorangestellten Epilog gezeigten Trennung zwischen Seraphina und Carmen? (von Nele Wobker)
A Mortician's Tale
A Mortician's Tale ist vermutlich eines der bekanntesten Spiele im Queer Games Bundle. Wir spielen Charlie, die frisch ausgebildete Bestatterin in einem Beerdigungsinstitut. In dem Death-positiven Managementspiel bereiten wir mit einfachen Gameplaymechaniken die Körper der Verstorbenen für ihre Beisetzung vor. Doch zu Charlies Arbeit gehört weit mehr: Sie muss sich tagtäglich zudem mit Hinterbliebenen, Mitarbeitenden und Vorgesetzten auseinandersetzen. Ein trauriges aber auch tröstliches Spiel mit einer besonderen Perspektive auf den Tod. (von Nele Wobker)