Pokémon GO hatte 2020 trotz und wegen Corona ein Rekordjahr
Das Klischee, dass Videospiele nur was für Stubenhocker*innen sind, ist überholt. Spätestens seit der Hype um Pokémon GO die Spieler*innen vor fünf Jahren auf die Straße trieb ist klar, wie viel Geld sich mit gamifizierten Spaziergängen verdienen lässt. Bis Ende 2019 verdiente Entwickler Niantic über 3 Milliarden Dollar, mit Corona drohte das Ende der Erfolgsgeschichte. Wie sollte ein Spiel, das sich vor der Haustür abspielt, mit weltweiten Ausgangssperren und Kontaktverboten überleben können?
Das Spiel überlebte nicht nur, sondern lebte im Gegenteil sogar auf. Für Niantic wurde 2020 zum Rekordjahr. Bereits im November überschritt die App laut dem Analysten Sensor Tower die Marke von einer Milliarde Dollar Jahresumsatz. Das ist laut Marketing Manager Philip Marz auch der schnellen Reaktion von Niantic auf die Krise zu verdanken. Eine Reaktion, zu der das Unternehmen gezwungen war.
Online-Events ersetzen Live-Safaris
"Die Pandemie traf uns genau an dem Punkt, als wir mit den Ticketverkäufen für das Go-Fest in Liverpool anfangen wollten", sagt Marz. Es wäre das erste Event der Art in Großbritannien gewesen. 2019 fanden die letzten großen, ein Wochenende dauernden Veranstaltungen in Chicago, Dortmund und Yokohama statt. Dabei treffen sich zehntausende Besucher*innen in Parks, um gemeinsam Pokémon zu fangen.
Aus der Reise nach Liverpool wurde für die Fans nichts. Mitte März verschob Niantic die Veranstaltungen in England, aber auch Italien, Südkorea und Japan auf unbestimmte Zeit.
Die "Safari-Zonen" haben stattdessen digital stattgefunden. Aus den örtlich begrenzten Terminen wurden weltweite Veranstaltungen. "Wir haben dann angefangen, wirklich alles auf dieses angepasste Spielerlebnis umzustellen", so Marz. Mit Erfolg: Das weltweite Pokémon-GO-Fest machte an zwei Tagen 17 Millionen Dollar Umsatz.
"Wenn die Menschen nicht mehr raus dürfen, dann sieht man das natürlich auch"
Dass die Pandemie das Spielverhalten ihres Publikums verändert, wusste Niantic schon vor den Absagen ihrer Massenveranstaltungen im März. "Wenn die Menschen nicht mehr raus dürfen oder sich auch nicht mehr versammeln dürfen, dann sieht man das natürlich auch", sagt Marz. "Wir wurden auch von Spieler*innen kontaktiert, weil viele dann schon durch die kurzfristigen Maßnahmen eingeschränkt wurden", so Marz.
Rausgehen ist zentraler Bestandteil von Pokémon GO und vergleichbaren Augmented-Reality-Spielen. Items gibt es nur in einem kleinen Radius um besondere Sehenswürdigkeiten, der Spielfortschritt wird in zu Fuß zurückgelegten Kilometern gemessen und um Arenen sammeln sich besonders im Sommer die Spieler*innen zum Kämpfen.
"Das Vergrößern der Distanz war das erste, was wir gemacht haben", so Marz, "um zu vermeiden, dass sich ein Pulk von Menschen an einen Ort versammelt." So ist etwa die Teilnahme an den für fortgeschrittene Spieler wichtigen Raids seit vergangenem Jahr auch von zuhause aus möglich. Ein Bruch mit der Philosophie des Spiels, aber ein profitabler. Der nötige Fern-Raid-Pass kostet 99 Cent.
Ist Pokémon GO ein Gesundheitsrisiko?
So erfolgreich Pokémon GO mittlerweile ist, als es 2016 auf den Markt kam, dominierten Berichte über mögliche Unfälle im Straßenverkehr durch die Nutzung der App die Berichterstattung. Tatsächlich hatte das Spiel einen direkten Einfluss auf seine Umwelt. In Düsseldorf wurde beispielsweise eine Brücke wegen Einsturzgefahr gesperrt – sie war wegen ihrer vielen Pokéstops zum beliebten Treffpunkt der Spieler*innen geworden.