Ohne dieses Spiel hätte es Minecraft vielleicht nie gegeben
Minecraft ist das bekannteste Videospiel aller Zeiten, oder zumindest recht nah dran. Es stand auf dem Cover des New York Times Magazine stellvertretend für die gesamte Generation Z, trägt die Objektnummer 702.2013 im Museum of Modern Art und machte seinen Erfinder zum tausendachthundertdreiunddreißigreichsten Menschen der Welt. Kaum zu fassen, dass eine einzige Person sich etwas ausgedacht hat, das von Millionen auf der ganzen Welt geliebt wird. Und doch ist genau das die unglaubliche Erfolgsgeschichte von Minecraft.
Deren Ursprung lässt sich wie bei allen großen Erfindungen nicht ganz genau zurückverfolgen. Wahrscheinlich begann alles im Herbst 2008, als Zachary Barth über ein Wochenende den Prototypen für das gesamte Block-Welt-Genre bastelte. Die Spielfigur lief darin durch eine zufällig generierte Welt, konnte diese zerhacken und sprengen, Ressourcen ab- und Wände aufbauen – alles, was ein Minecraft-Like ausmacht.
Nur taufte Barth das Spiel nicht Minecraft, sondern Infiniminer und stellte es kostenlos ins Internet. Dort fand es ein Schwede namens Markus Persson, der Rest lässt sich auf einer Infotafel im Computerspielemuseum nachlesen.
Eine Villa in Beverly Hills
Ohne Infiniminer hätte es Minecraft vielleicht nie gegeben, aber hätte Infiniminer das nächste Minecraft werden können? Diese Ungewissheit ist für Barth heute kaum mehr als eine Anekdote, die er auf Vorträgen fallen lässt. "Hey, habe ich schon mal die Geschichte erzählt, wie ich das größte Spiel der Welt erfunden habe?" – das muss ein fantastischer Eisbrecher auf Partys sein. Eine Gelegenheit für solchen Smalltalk könnte sich auf einer Party ergeben, die Milliardär Persson in seiner Villa in Beverly Hills zwischen 24 verschiedenfarbigen Schokolinsenspendern schmeißt. Eine Villa, in der Barth hätte sitzen können, wäre die Geschichte etwas anders verlaufen.
Fragt man ihn nach dieser alternativen Realität, antwortet er mit trockenem Humor. "Süßigkeiten sind ziemlich billig", sagt er. "Ich könnte mir schon mit meinem derzeitigen Erfolg endlos viele davon leisten, wenn ich überhaupt Süßigkeiten essen würde."
"Die ernsthafte Antwort ist, dass ich nicht glaube, dass unser Universum sehr nah an dem beschriebenen ist", in dem Barth anstelle von Persson zum Milliardär wurde. Für ihn ist das "nur eine von vielen Sachen, die wir uns vorstellen können. Was wäre, wenn ich Anwalt geworden wäre statt Programmierer?" Vielleicht hätte es dann weder Infiniminer noch Minecraft gegeben, und später auch kein Terraria, kein Cube World, kein Dragon Quest Builders und kein Fortnite. Hätte, hätte, Craftingkette.
Threes, Fives, 1024, 2048
Geklaute Ideen und geklonte Spiele sind weder neu noch selten, aber sie gehören zu den Dingen, die das Internet beschleunigt hat. Die ersten unlizenzierten Varianten von Tetris ließen immerhin ein paar Jahre auf sich warten, heute erscheinen Klone schon vor den Originalen. Spätestens mit der Einführung des iPhone ist daraus ein lukratives Geschäftsmodell geworden. Ein zumindest rechtlich gesehen durchaus legitimes, denn Ideen allein lassen sich nicht urheberrechtlich schützen.
Diese Realität erleben nicht nur große Titel wie das vom selbstgeschaffenen Battle-Royale-Hype überrannte Playerunkown’s Battlegrounds, sondern vor allem kleine, sympathische und nur selten rechtsschutzversicherte Indieentwickler. Was auf Millionen Smartphonedisplays gespielt wird, ist meistens die eine Kopie einer Kopie einer Kopie ihrer genialen Idee.
Threes war so eine geniale Idee. Asher Vollmer und Greg Wohlwend arbeiteten ein Jahr daran, das simple Puzzlespiel bis an den Rand der Perfektion zu polieren. Ihre Konkurrenz ließ sich nicht so viel Zeit. Innerhalb weniger Wochen potenzierte sich die Zahl der verdächtig ähnlichen Zahlenspiele im App Store: Three, Fives, 1024 und dann hunderte Klone der Klone. Den erfolgreichsten, 2048, gibt es in Varianten mit Hunden, Katzen, Kaffeetassen, Häusern, Zelten, Pixelart, Anime, DNA-Strängen und K-Pop-Stars.
Geht man nach den Kritiken, waren sie alle schlechter als das Original. Geht man nach den Downloadzahlen, waren sie alle auch erfolgreicher. Gerecht ist das nicht. Für kleine Teams kann der industrialisierte Ideendiebstahl sogar den finanziellen Ruin bedeuten. Ob Ridiculous Fishing, Donut County oder Desert Golfing – kommt ein besonders einfallsreiches Spiel daher, laufen bei den fadenscheinigeren Mobile Game Companies noch vor dem Releasedatum die Fotokopierer warm, um basierend auf Trailern und Screenshots die Klone zu Dutzenden vom Fließband und die Originale mit schierer Masse aus den Stores zu pressen.
Das Dark-Souls-Like unter den Dark-Souls-Klonen
Ob das fair ist, hängt für Barth von der Definition ab, was es überhaupt heißt, ein Spiel zu klonen. Ob Minecraft ein Klon von Infiniminer ist, ist für ihn so unwichtig wie die Frage, ob Quake ein Klon von Doom ist: "Wenn wir nur versuchen festzulegen, ob ein Label auf etwas angewendet werden kann oder nicht, dann laufen wir Gefahr, uns in einer bedeutungslosen Diskussion über Semantik zu verlieren."