In diesem Plattenladen schütteln sich Kratos und Japanese Breakfast die Hände
Seit Oktober kann man in Köln-Ehrenfeld Indie-Vinyl und Gaming-Merchandise kaufen, und das im selben Laden. Hinter Pop Sub steckt nicht bloßes Profitinteresse, sondern der Wunsch, subkulturelle Barrieren einzureißen.
Oberflächlich haben sie wenig gemein. Videospiele sind das weltweit lukrativste Unterhaltungsmedium, generieren 2020 allein in Deutschland rund 5,3 Milliarden Euro Umsatz. Vinyl führt trotz seines Comebacks ein Nischendasein und Musikliebhaber*innen investieren hierzulande im selben Zeitraum nur rund 100 Millionen Euro in ihre Sammlung. Doch besonders der Indie-Bereich beider Welten zeigt Überschneidungen. Das beweist das im Oktober eröffnete Geschäft Pop Sub im Kölner Stadtteil Ehrenfeld.
Vom bloßen Zufall zur Gründungsidee
Die erste Idee hinter Pop Sub ist eher Zufall als ein konkreter Plan. "Wir sind Anfang 2020 durch Köln Ehrenfeld geschlendert und haben dieses Ladenlokal gesehen", erinnert sich Kevin Schulz, Mitgründer des Ladengeschäfts und Gründer des Plattenlabels Black Screen Records, das seit 2015 Game-Soundtracks auf Vinyl verkauft und veröffentlicht, etwa von VA-11 Hall-A oder Paradise Killer.
Wofür die rund 300 Quadratmeter große, zweistöckige Fläche dienen soll, ist unklar. "Aber sie war perfekt für alle möglichen Ideen." Schulz muss sich vorerst gedulden, das Ladengeschäft wird anderweitig vermietet. Rund sechs Monate später sucht er nach einer neuen Wohnung. Dabei stolpert er erneut über die Immobilie, die wieder frei ist. "Wir gehen da morgen sofort hin und schauen, dass wir die bekommen", fordert Benjamin Mirtschin, als er davon erfährt. Mirtschin ist der zweite von drei Gründern von Pop Sub und Geschäftsführer der 2013 gegründeten Musik-PR-Agentur Fleet Union, die mit Künstler*innen wie Thees Uhlmann, Orchards oder Delta Sleep kooperiert und bei der auch der dritte Gründer Sebastian Igel arbeitet.
Ein Raum für Musik, Spiele und Popkultur
Dieses Mal haben sie Erfolg. Mit den Schlüsseln zum Lokal in der Tasche folgen konkrete Pläne. In den Köpfen seiner Gründer soll Pop Sub ein Hybrid aus Popkultur-Einzelhandel und Raum für Kulturschaffende werden. Das künftige Sortiment soll aus Schallplatten von Black Screen Records und hochwertigem Merchandise bestehen, wie limitierten Special Editions von Videospielen, Brettspielen oder Importware. Andererseits denkt man über kleine Konzerte oder Pop-Up-Events nach, bei denen zum Beispiel andere Plattenhändler*innen oder Labels die Ladenfläche für einen begrenzten Zeitraum anmieten.
Vor allem soll das Geschäft Kund*innen einen niedrigschwelligen Austausch über Games sowie Musik ermöglichen und beide Welten einander näherbringen. Man lege daher Wert auf eine möglichst einladende Atmosphäre, die laut Mirtschin nicht nur im Videospielhandel oft fehle. "Die Läden haben oft so einen Gatekeeper-Vibe. Ich glaube, so geht es vielen auch mit Plattenläden, wo man gefühlt nur beäugt wird."
Dem beugt der moderne, fast gemütliche DIY-Look von Pop Sub vor. Auf gestapelten Europaletten thronen seltene Sammelfiguren, Collector’s Editionen von Spielen oder T-Shirts; mehr davon wartet in Glasvitrinen und auf einem rollbaren Kleiderständer. Das Vinyl möchte in schlichten schwarzen Plattenregalen durchstöbert werden, einige Favoriten stellt das Team an einer wandmontierten Pressspanplatte dahinter aus. Als Dekoration für das helle Lokal dienen hängende Glühbirnen und Topfpflanzen, die sich die Schaufensterbretter mit weiteren Platten und Merchandise teilen. Insgesamt ist die Auswahl überschaubar, das sei, so Mirtschin, aber eine bewusste Entscheidung. "Wir wollen hochqualitative, coole Sachen anbieten, statt den Laden nur mit Plastik vollzustellen."
"Emo ist geil!"
Gaming weiter zu entstigmatisieren, wie es Mirtschin nennt, sei ein weiteres Anliegen. Zwar spielen rund 3 Milliarden Menschen weltweit regelmäßig, Vorbehalte gegenüber Spieler*innen bleiben dennoch. Das hat Schulz selbst erfahren. Wenn er etwa auf Konzerten erwähnt, dass er in der Gaming-Industrie arbeitet, erntet er manchmal abfällige Blicke – obwohl er auch in der Musikszene unterwegs ist. "Wir wollen jetzt zeigen: Man ist als Spieler*in nicht der Nerd, der jeden Tag nur Games spielt und hunderte Euro in FIFA-Packs versenkt", meint er entschlossen.
Videospiel-Vinyl von Black Screen Records und hochwertiges Merchandise sind nur ein Teil des Sortiments von Pop Sub. Der Rest machen eigens kuratierte Indie- und Emo-Platten aus, etwa von Phoebe Bridgers, Japanese Breakfast oder Fiddlehead. "Grundsätzlich sind wir alle Emos, auch die anderen Mitarbeiter*innen, und hören die Musik gern. Das lag also nah", erklärt Schulz die unkonventionelle Kombination.
Überschneidungen der Emo- und vor allem Indie-Game-Szene sehe er zwar nicht zwingend. Sie würden aber harmonieren, weil sie kleine Subkulturen sind. "Du kannst dich hier mitten in den Raum stellen und rufen: Emo ist geil!", scherzt Mirtschin. "Das Schöne ist: Es werden immer mindestens zehn Leute hören, die alle klatschen werden."
Die Pandemie ist eher Segen als Fluch
Das Projekt Pop Sub beginnt zwar inmitten einer Pandemie, doch diese stellt sich als Glück im Unglück heraus. Ohne Corona hätten die Vorbesitzer*innen vielleicht nicht schließen und die Gründer sich schneller entscheiden müssen. Denn die attraktive Lage des Geschäfts und dessen große Fensterfronten hätten sonst mehr Konkurrenz angelockt, meint Schulz.
Reibungslos verläuft die Arbeit an Pop Sub jedoch nicht. Im Frühjahr haben die Baumärkte in der Nähe regelmäßig geschlossen und Kund*innenverkehr sei, so Schulz, selbst mit Masken unmöglich. Wegen der nicht abschätzbaren Länge der Lockdowns verschiebt sich die Eröffnung schlussendlich in den Oktober. Derweil nutzen Fleet Union und Black Screen Records die obere Etage des Geschäfts als Bürofläche, was bei der Finanzierung hilft. "Trotz allem haben wir aber nie an der Idee gezweifelt", versichert Mirtschin.
Das Experiment ist geglückt
Das Konzept, einen offenen, niedrigschwelligen Raum für alle Interessierten zu bieten, geht von Anfang an auf und bekräftigt die Gründer in ihrer Idee. "Hier waren über 60-Jährige, die das spannend fanden, Mütter mit Kindern, die Pokémon-Karten geholt haben, und andere, die sich einfach die neue Platte von Lucy Dacus kaufen wollten", resümiert Mirtschin die ersten Wochen.
Konkrete Pläne für die Zukunft stehen bereits. Momentan finden Gespräche über verlängerte Öffnungszeiten statt, auch am Wochenende. Mirtschin freut sich auf die kleinen Konzerte und Pop-Up-Events, die die Pandemie bisher verhindert. Schulz sehnt derweil der nächsten Gamescom entgegen, auf der er mit Black Screen Records ohnehin seit 2018 präsent ist. "Wir haben viele Partner in der Industrie, die ebenfalls dort sind und ich hätte richtig Lust auf eine Indie-Game-Night bei uns."
Bis dahin sind Geduld und kleinere Ziele gefragt, wie eine angemessene Eröffnungsparty. "Dann wäre die lange Aufbaustory dieses Ladens gemeinsam mit der Pandemie vorbei", sagt Schulz. "Das wäre ein schönes Happy End."