In diesem E-Sport sammelt ihr Strohballen statt Kills
Menschen können aus allem einen Wettkampf machen. Bäume schnell zersägen, die beste Drag Queen werden – oder am Rechner digitale Strohballen produzieren und zu einer Scheune fahren wie in der Farming Simulator League. Seit 2019 betreibt Publisher Giants Software die E-Sport-Disziplin zum extrem erfolgreichen Landwirtschaftssimulator.
Im regulären Modus des Landwirtschaftssimulator geht es darum, einen simulierten Bauernhof zu übernehmen, Felder zu bewirtschaften, Maschinen anzuschaffen und so immer weiter zu wachsen. Warum so viele Spielende virtuelle Landwirt*innen werden wollen, ist für manche immer noch ein Rätsel. In seinem Rückblick auf 2020 führt der Branchenverband game e.V. den 2018 erschienenen Farming Simulator 19 auf Platz 15 der meistverkauften Spiele in Deutschland, vor Minecraft und Assassin’s Creed Odyssey.
Von der Messe-Spielerei zum ernstzunehmenden E-Sport
Dass aus dem oft zur Entspannung gespielten, potentiell endlosen Bauernhof-Aufbau-Simulator dann noch ein eigener E-Sport wird, setzt dem Kuriosum eine noch kuriosere Krone auf. Beim E-Sport spielen Menschen in einem Wettkampf und nach festgelegten Regeln gegeneinander Videospiele. Dass das längst keine nerdige Nische mehr ist, zeigen Titel wie League of Legends, Counter-Strike oder Starcraft 2. Bei der LoL-Weltmeisterschaft schalten jedes Jahr Millionen Menschen ein, bei der Dota-2-WM geht es im Oktober um mehr als 40 Millionen US-Dollar Preisgeld.
Beim Landwirtschaftssimulator hält sich der kompetitive Anteil, gelinde gesagt, in Grenzen. Deswegen wird in einem extra entwickelten Modus gespielt. "Das ist eigentlich mal als kleines Spiel für die Messen gestartet", sagt Claas Eilermann, Event & E-Sport Manager beim Publisher Giants Software. "Da haben wir eine Bale-Stacking-Challenge gehabt – ein Mini-Game, bei dem sich die Menschen messen konnten. Und das ist extrem gut angekommen." Daraus entstand 2018 die erste Saison, damals noch als Farming Simulator Challenge. "Auch das kam gut an und wurde weiterentwickelt. Und so kam es dann zur Farming Simulator League", so Eilermann.
Mit Strohballen und Kornsilos zum Titel
E-Sport zwischen Strohballen und Traktoren – gerade dieser kuriose Ansatz habe der Liga am Anfang geholfen, sagt Giants‘ PR- und Marketing-Manager Wolfgang Ebert. "Keiner konnte sich vorstellen, wie das überhaupt funktionieren soll. Und die Leute haben dann gesehen, dass das nicht einfach nur 'einen Ballen nehmen und irgendwo hinfahren' ist. Sondern dass sich sehr viel Strategie dahinter verbirgt und damit auch vergleichbar ist mit anderen E-Sport-Titeln."
Tatsächlich ist der Spielmodus nicht unbedingt simpel. Zwei Teams mit je drei Spieler*innen wählen Landmaschinen aus und starten auf einer zweigeteilten Karte in ihrem jeweiligen Areal. Jedes Areal beinhaltet Plattformen mit Landmaschinen, zwei große Kornfelder, eine von einem Kanal umschlossene und mit Brücken verbundene Scheune sowie ein Kornsilo. Ziel ist es, in 15 Minuten möglichst viele Punkte zu erreichen, indem man Strohballen erzeugt und in der Scheune abliefert. Wer außerdem Korn ins Silo bringt, kann seinen Punkte-Multiplikator für die Strohballen-Lieferung erhöhen.
Anders als etwa in Counter-Strike, wo es darum geht, möglichst präzise auf gegnerische Köpfe zu klicken, interagieren die Teams in der Farming Simulator League nur indirekt miteinander. Wer seinen Multiplikator erhöht, senkt den des gegnerischen Teams. Wählt Team A eine Maschine, kann Team B sie nicht mehr nutzen. Und auch, ob sich die Brücken zur Scheune heben oder senken, wird vom anderen Team beeinflusst.
Die Farming Simulator League erfordert ähnlich großes Spielverständnis wie League Of Legends
Das macht es auch schwerer zu erkennen, wenn jemandem eine besonders gute Leistung gelingt. "Da muss man das Spiel ein bisschen mehr verstanden haben, um diese Aufreger-Momente zu sehen", sagt Eilermann. Für etwa League of Legends brauche man aber ein ähnlich großes Spielverständnis, fügt Ebert hinzu. Die Schnittmenge zwischen klassischem und kuriosem E-Sport findet sich bei MyInsanity, die nicht nur in mit einem Team in der Farming Simulator League, sondern auch bei League Of Legends, Hearthstone oder Tekken aktiv sind. Die restlichen zwölf festen Mannschaften sind von Firmen gesponsert oder aufgestellt, die in der realen Landwirtschaft tätig sind. Die anderen 50.000 Teams, die auf der Webseite angemeldet sind, müssen sich in offenen Qualifikationen beweisen, bevor sie einen Platz in einem Turnier bekommen.