Wir haben Spieleentwickler*innen gefragt, warum sie nichts mit NFT zu tun haben wollen
Ausgerechnet die Gamesbranche wehrt sich bislang vehement gegen jedes neue Blockchain-Projekt. Ein Manager, ein Programmierer und eine Künstlerin erklären, warum.
Ob Procedural Generation, Mikrotransaktionen oder Battle Royale: Hypes kommen und gehen in der Spielebranche mit jedem Geschäftsquartal. Der neueste Hype sind die Non-Fungible-Tokens, kurz NFT. Seit Ende 2021 erobern die handelbaren digitalen Objekte, deren Besitzrechte mittels der Blockchain-Technologie dokumentiert werden, nicht nur den Kunstmarkt, sondern auch die Spieleindustrie. Oder zumindest wird es versucht.
Das ist bislang spektakulär gescheitert. Ob bei Stalker 2 oder den Worms-Machern Team 17 – in den letzten Monaten versuchten mehrere Publisher erfolglos die Blockchain in ihre Spiele zu bringen, ruderten aber nach lautstarkem Protest in den sozialen Medien schnell wieder zurück. NFTs in Spielen sind ein Reizthema, ihre Ankündigung garantiert einen Shitstorm.
Und doch schafft der Erfolg von NFT-Spielen wie Axie Infinity Begehrlichkeiten in der Branche. Die Millionen, die in den Kryptowährungen solcher Spiele herumgeschoben werden, wirken wie die logische nächste Evolutionsstufe von Mikrotransaktionen und In-Game-Währungen. Warum also ist die gewinnorientierte Spieleindustrie bei dem Thema so gespalten?
Shitstorm statt Geschäftsmodell
"Das Gleiche gilt für Free to Play, Abonnements, Onlinezwang, und so weiter", sagt Shams Jorjani angesichts der zahlreichen Shitstorms der letzten Monate. Über 12 Jahre lang war er bei Paradox Interactive für die Geschäftsentwicklung zuständig. "Es geht weniger darum, was, sondern mehr darum, wie es umgesetzt wird."
Unter Jorjanis Führung entstand bei Paradox die ebenfalls umstrittene Strategie, Spiele mit nachträglich kaufbaren DLCs zu erweitern. "Im Prinzip glaube ich nicht, dass Spieler ein Problem mit einer Wirtschaft im Spiel, mit virtuellen Objekten und der Möglichkeit haben, einen verdienten Skin oder ein Abzeichen zu verkaufen", sagt er. "Das machen wir ja schon seit Jahren in Dota 2, Team Fortress 2 und anderen Spielen."
Dennoch machen digitale Kostüme in einem Spiel wie Fortnite hunderte Millionen US-Dollar Umsatz, während die gar nicht so unähnlichen NFTs in Ubisofts Ghost Recon floppen. "Wir Gamer*innen sind ziemlich schlau", denkt Jorjani. "Wenn wir den Wert von etwas nicht sehen, werden wir darauf aufmerksam machen." Was NFT jedoch von Fortnite und Team Fortress 2 abhebe sei die Tatsache, "dass fast alle weit von dem entfernt sind, was für Spieler wichtig ist – nämlich Spaß und mehr Spielspaß zu bieten."
"Kryptospiele sind nie als Spiele gedacht"
Während Spieler*innen zumindest gefühlt die Blockchain ablehnen, lässt sich das bei den Entwickler*innen sogar mit Zahlen belegen. Mehr als 70 Prozent der Befragten gaben in einer Umfrage der GDC an, dass ihre Studios nicht an NFTs interessiert seien. "Der Hauptgrund ist, dass die Entwickler spielerisch und die Manager geschäftsorientiert sind", sagt der Ex-Manager Jorjani.
Auch der Indieentwickler Tyler Glaiel hat einige Anfragen bekommen, ob er die Blockchain in sein Spiel Mewgenics einbauen möchte. "Die meisten davon waren fast urkomisch schlecht, beispielsweise Schneeballsysteme, oder Leute, die mit Kryptowährungen statt mit echtem Geld bezahlen wollen." In dem Strategiespiel können computergenerierte Cartoon-Katzen gepaart und gezüchtet werden – eine Mechanik, die an das NFT-Spiel Axie Infinity erinnert.
"Der Unterschied ist, dass Mewgenics ein wirklich gutes Spiel ist", sagt Glaiel. "Das Design funktioniert einfach nicht, wenn man Katzen rar machen würde. Stell dir vor, du zahlst 5000 Dollar für eine Superkatze und sie stirbt beim zweiten Kampf, weil sie Pech hat." Für ihn steht außer Frage, das Spiel auf diese Art zu monetarisieren. "Kryptospiele sind nie als Spiele gedacht."
Potential für neue Monetarisierungsmodelle
"Da die Entwickler*innen den Wert von NFTs für das Gameplay nicht sehen können, ist das Interesse gering", fasst Shams Jorjani diese Ablehnung zusammen. So wie Glaiel denken viele Entwickler*innen und machen aus ihrer Ablehnung keinen Hehl. Für unabhängige Indie-Teams ist das kein Problem, aber bei großen Firmen entscheiden oft andere über das Geschäftsmodell.
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