Blaseball-Fans machen Musik und verkaufen Merchandise für den guten Zweck
In Blaseball kommen kosmischer Horror und taktisches Wetten auf fiktive Sportvereine zusammen. Diese Mischung zieht eine überraschend queere Fangemeinde an, die mit ihrer Kunst weit über das Spiel hinaus Wellen schlägt.
Am Anfang war Blaseball lediglich ein automatisch laufendes Baseball-Browserspiel. Darin treten Teams mit Namen wie Kansas City Breath Mints, Breckenridge Jazz Hands oder New York City Millenials gegeneinander an, einzig repräsentiert durch einen Textticker und Emojis. Spieler*innen setzen virtuelle Münzen auf die Spielausgänge und können die Regeln der Liga durch Abstimmungen am Ende jeder Woche verändern.
Doch als die Community am Ende der ersten Saison für die Öffnung des sogenannten verbotenen Buches stimmt, bricht im wahrsten Sinne die Hölle los. Spieler*innen gingen in Flammen auf, Wettereffekte wie Sonnenfinsternis oder Blutabsaugung veränderten die Spielausgänge, erdnussförmige Götter wurden getötet.
Durch diese Kombination aus einem bekannten US-Sport und kosmischem Horror wird das Spiel trotz seiner merkwürdigen Prämisse zu einer kleinen Sensation. Eine Entwicklung, die Sam Rosenthal kalt erwischt. "Eigentlich war Blaseball nur ein Nebenprojekt", erklärt der Creative Director der Game Band. "Wir hätten uns niemals träumen lassen, dass das Spiel der Fokus der Firma wird und sich zu so einem Phänomen entwickelt." Ursprünglich war The Game Band nämlich konventioneller und kommerzieller ausgerichtet.
The Game Band macht Spiele als Spiegel der Welt
Nach seinem Abschluss an der University Of Southern California und Jobs bei Activision und Giant Sparrow sammelt Rosenthal 2015 Freund*innen und ehemalige Studienkolleg*innen zusammen, um sein ehemaliges Studienprojekt Where Cards Fall fertigzustellen. Das storybasierte Puzzlespiel erscheint im September 2019 für Apple Arcade und bringt der jungen Game Band einen Apple Design Award ein.
Trotzdem fällt das Team nach der Veröffentlichung seines ersten Spiels in ein Loch. Die Corona-Pandemie macht Rosenthal klar, dass es schwierig wird, in naher Zukunft ein Projekt mit ähnlichem Umfang zu finanzieren. Er wird nervös und fragt ehemalige Vorgesetzte um Rat. Die bestärken ihn darin, einfach ein Spiel zu machen und nicht dem großen Geld hinterherzurennen.
Nach drei Monaten intensiver Arbeit steht das Ergebnis: Blaseball, das laut Rosenthal einiges mit dem ersten Spiel seines Teams gemein hat. "Beide Spiele spiegeln die Welt, in der wir leben. Solche Spiele zu entwickeln war die Idee hinter der Gründung von The Game Band. Where Cards Fall ist eine Coming-of-Age-Geschichte, die Puzzles reflektieren, aus welchen Bausteinen du dein Leben zusammensetzt", so Rosenthal. "Blaseball spiegelt 2020 wieder und bringt Menschen dazu, sich zusammenzutun und gemeinsam unüberwindbare Hindernisse zu bezwingen."
Entsprechend communitybasiert ist auch die Finanzierung von Blaseball: Über kleine Sponsoren wie Szenepodcasts, andere Indiespiele oder lokale Kaffeeröstereien sowie einen Patreon-Account, der monatlich knapp 13.000 US-Dollar in die Kasse spült. Laut Rosenthal reicht das nicht, um das Projekt langfristig ohne Überstunden über Wasser zu halten, aber das Team arbeite bereits an nachhaltigeren Lösungen.
Eine Community der Liebe in schwierigen Zeiten
Nicht nur finanzielle Hürden wollen The Game Band gemeinsam mit anderen überwinden. Am 20. Juli, zeitgleich mit dem ersten Blaseball-Spieltag, startet der offizielle Discord-Server. Der dazugehörige Tweet des offiziellen Blaseball-Twitteraccounts erhält damals jedoch gerade mal einen Like, einen Kommentar und drei Retweets.
Erst eine Erwähnung im populären Videospielpodcast Waypoint Radio im August sorgt für mehr Aufmerksamkeit und einen enormen Mitgliederzuwachs. Zum Veröffentlichungszeitpunkt dieses Artikels sind 18.000 Nutzer*innen in den verschiedenen Teamkanälen unterwegs, feuern ihre Lieblingspieler*innen an, spekulieren über Statistiken und teilen Fanart. Und das alles in einem Klima, das für Onlinecommunities mehr als unüblich ist.
Dieser Artikel geht noch weiter...