Der Gaming-Fachhandel steckt auch nach Corona noch lange in der Krise

Seit mehr als zwei Jahrzehnten verkauft Ugur Turgut Videospiele. 1994, als er die erste Filiale von Defcon in Berlin eröffnet, ist die Welt noch eine völlig andere. Der erste Teil von The Elder Scrolls erscheint, Super Metroid ist eines der bestverkauften Spiele auf dem SNES und ein Konsolenspiel kostet im Laden etwas mehr als 100 Mark.

In den Laden von Ugur Turgut geht heute kaum noch jemand. Steam, eShop und Game Pass haben die Euroboxen und Module fast gänzlich verdrängt. Videospiele sind über das Internet leichter zugänglich denn je und können vom Entwickler ohne Umweg über Ladengeschäfte wie Defcon vertrieben werden.

Leidenschaft auf der einen Seite, Geschäft auf der anderen

"Es war aber auch eine ganz andere Zeit", erinnert sich Turgut zurück. Seine ersten Geschäfte macht er gemeinsam mit seinen Brüdern noch auf Flohmärkten, bevor sie im Berliner Stadtteil Wedding mit der ersten Filiale von Defcon sesshaft werden. Später kommen weitere in Charlottenburg und Spandau dazu.

"Es war auf der einen Seite eine Leidenschaft, auf der anderen Seite war es natürlich auch ein Geschäft", sagt Turgut. Wie für viele Entwickler*innen auch, sind Videospiele für die, die mit ihnen ihren Lebensunterhalt verdienen, eine Herzensangelegenheit – und mehr als einfach nur Arbeit.

Auch wenn Videospiele mittlerweile mehr Umsatz machen, als Kino und Sport zusammen, gibt es für Turgut und seine Kolleg*innen mit den Jahren immer weniger zu tun. "Fakt ist, dass sehr viele, die damals mit uns auch Games-Läden geöffnet hatten, untergegangen sind", sagt der Gründer heute. "Als reiner Games-Fachhandel sind wir die letzten in Berlin."

Die Pandemie hat das Wachstum digitaler Medien noch einmal beschleunigt. (Quelle: Statista)

Konkurrenz von Steam, PlayStation Store und Xbox Games Store

Dass es Defcon bis heute gibt, sei vor allem dem familiären Zusammenhalt zu verdanken. Die digitale Revolution bekommt Defcon direkt zu spüren. "Ab 2010 wurde es wirklich schwierig", sagt Turgut. Steam hat sich seit 2003 auf dem PC zum dominanten Download-Shop entwickelt, mit Xbox Games Store und PlayStation Store ziehen die Konsolenhersteller wenige Jahre später nach.

Auch wenn es für sein Geschäft zu einem Problem werden sollte, sieht Turgut die Vorteile dieser direkten Vertriebswege. "Da muss der Kunde sich halt einfach nicht mehr die Mühe machen, irgendwo eine CD zu besorgen." Nicht nur Downloads schnappen Defcon immer mehr Kund*innen weg, auch der Onlineversandhandel trägt seinen Teil dazu bei. Mit dem kostenlosen Versand am Bestelltag, den Riesen wie Amazon anbieten, kann ein kleiner Laden schlicht nicht mithalten.

Der Versuch, selbst über eBay in den Versand einzusteigen, scheitert schnell – spätestens, als immer mehr Hobby-Sammler*innen anfangen, ihre alten Spiele im Internet direkt untereinander anzubieten. "Von Anfang 2000 bis 2005 hatten wir einen eigenen Onlineshop über eBay", sagt Turgut. "Da hat sich das noch gelohnt. Später haben dann viele aus dem Schlafzimmer heraus Spiele verkauft und konnten dann natürlich die Preise nach unten drücken."

Ugur Turgut is seit mehr als zwei Jahrzehnten im Geschäft. Wie lange das noch so bleibt, kann er im Moment nicht absehen. (Quelle: privat)

Mehr Service auf weniger Verkaufsfläche

Inzwischen hat Defcon sich gänzlich aus dem Onlinehandel zurückgezogen. Gleichzeitig wurde die Größe des Ladengeschäfts um zwei Drittel reduziert. "Wir haben uns mit der Firma Konsolenwelt zusammengetan", erklärt Turgut die Verkleinerung. Das befreundete Geschäft ist auf die Reparatur von Hardware spezialisiert.

Defcon auf der anderen Seite konzentriert immer mehr auf den An- und Verkauf gebrauchter Spiele – vergleichbar mit dem Modell, das GameStop später popularisiert hat. "Viele haben keine 70 Euro, um sich ein neues Spiel zu kaufen", sagt Turgut. "Dann kommt der Kunde mit seinen alten Spielen zu uns und braucht für das neue nur noch 20 zu bezahlen und ist glücklich."

So halten Defcon und Konsolenwelt nun in einer gemeinsamen Filiale in der Kantstraße, nahe der belebten Einkaufsstraße Wilmersdorfer, den Veränderungen in ihrer Branche stand. "Die anderen beiden Filialen werden nicht überleben", sagt Turgut. "Nur mit dem Einzelhandel werden wir definitiv nicht überleben können." Schuld daran seien nicht nur ausbleibende Umsätze, sondern auch Verluste. "Letzten Winter haben wir wieder Geld investiert und Ware eingekauft", erklärt er. "Und dann kam der Lockdown und wir sind auf der Ware sitzen geblieben."

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Hoffnung auf die PlayStation 5

Über Monate hinweg hätte man gar keinen Verkauf gehabt – und keine Einnahmen. Mieten und Gehälter müssen dennoch gezahlt werden. Die Rücklagen sind im Frühjahr 2021, als die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie langsam aufgehoben werden, so gut wie aufgebraucht.

Dabei habe man voller Hoffnung auf das Weihnachtsgeschäft geblickt. Die Ankündigung einer neuen Konsolengeneration mit PlayStation 5 und Xbox Series X hätte das Geschäft neu beleben können. Neue, teure Hardware treibt viele doch noch in die Geschäfte der Innenstadt, nicht zuletzt, um vielleicht die alte Konsole in Zahlung zu geben.

Selbst diese Hoffnung war klein. "Egal bei welcher Konsole, nach Steuern hat man eine Marge im einstelligen Bereich", erklärt Turgut den Gewinn, der beim Kauf der Hardware im Laden selbst hängen bleibt. "Also zwischen fünf und zehn Euro. Und bei den neuen ist es noch schlimmer." Die Hersteller wüssten um die schwierige Situation des Einzelhandels und die hohe Nachfrage in ihren eigenen Onlineshops. "Sie wissen, dass sie die höheren Einkaufspreise verlangen können."