Das Gamedesign der Bundesliga hat ein Fairness-Problem
Die höchste Fußballliga Deutschlands ist gleichzeitig die ungerechteste: Wer am meisten zahlt, gewinnt. Können Videospiele zeigen, wie man es besser macht?
Sicherlich könnten so gut wie alle Deutschen aus dem Stegreif sagen, wer in der vergangenen Saison Meister der Männer-Bundesliga geworden ist. Und die Antwort auf die Frage, wer kommende Saison wohl die beste Fußballmannschaft Deutschlands wird, dürfte ungeachtet persönlicher Präferenzen dieselbe sein: Der FC Bayern München. Es wäre ihre zehnte Meisterschaft in Folge.
Wäre es in einem Videospiel so, dass Spieler*innen immer vorhersagen können, wer die Partie gewinnt, wäre dieses Spiel wohl ein Ladenhüter. Denn niemand nimmt einen Controller in die Hand, wenn quasi feststeht, dass die eigene Siegchance gegen Null geht – ganz egal, wie sehr man sich anstrengt. Die Bundesliga als Videospiel wäre also kein wirklicher Verkaufsschlager. Im Gegenteil: die höchste Fußballliga Deutschlands scheint ein Problem in Sachen Gamedesign zu haben.
Im Videospiel kann selbst der HSV Meister werden
Für die Fairness in Videospielen sorgt das Balancing. Es beschreibt die Kunst, ein Videospiel so zu programmieren, dass es allen Spieler*innen dieselben Chancen ermöglicht. Ein gutes Beispiel dafür ist Super Smash Bros. Darin kämpfen dutzende verschiedene Nintendo-Charaktere gegeneinander, die alle individuell etwas auf dem Kasten haben. Sie sind aber so gebalanced, dass jemand, der beispielsweise mit Pikachu spielt, grundsätzlich dieselbe Chance hat, ganz gleich ob der Gegner mit Link, Mario oder Samus antritt.
Gerald Köhler ist deutscher Videospielentwickler und kennt sich sowohl mit Gamedesign als auch Fußball bestens aus. In seinen Spielen Anstoß und Fußball Manager dürfte schon so manche*r Spieler*in selbst den HSV zum deutschen Meister gemacht haben – wenn man eine Herausforderung möchte. "Bei unserem aktuellen Spiel We Are Football haben wir im Vornherein gesagt, dass wir das von den Vereinen abhängig machen", sagt der Entwickler. "Wer es also knackiger mag, sucht sich einen kleinen Verein."
Den Frust, den viele Fans von anderen Vereinen als dem FC Bayern empfinden, möchten Köhler und sein Team im Spiel aber vermeiden. "Im Bereich Fußballmanagement ist es so, dass man sich zunächst fragt: Wie kriegt man eine vernünftige Herausforderung für die Spieler*innen hin, dass sie trotzdem Erfolg haben und nicht, als Beispiel, vor lauter Finanzmanagement verzweifeln und die Lust verlieren?", sagt er. "Wenn man die ganze Zeit durch repetitive Arbeit Geld verdienen müsste, würde das schnell den Spielgenuss trüben", so Köhler.
Es sei dabei auch ganz unterschiedlich, was für eine Herausforderung Spieler*innen überhaupt möchten: Will jemand nach Feierabend noch gemütlich eine Runde am PC verbringen, oder es mit einer Mannschaft aus der Kreisliga bis an die Spitze schaffen? "Viele Vereine haben diese Schwellen, über die sie lange Zeit kaum drüber hinwegkommen, oder vielleicht auch gar nicht", so der Fußballspezialist Köhler. "Gründe dafür sind beispielsweise fehlende Einzugsgebiete oder eine zu kleine Fanbasis, die sich kaum vergrößern lässt. Wenn ich da abseits der Großstadt kicke, habe ich es einfach schwer."
Messi bleibt so "authentisch wie möglich"
Eines der bekanntesten Sportspiele ist die FIFA-Serie von EA. Die Spielerwerte wie Dribbling oder Lauftempo orientieren sich an den Fähigkeiten ihrer realen Vorbilder. "Bayern München ist also erst mal klar stärker als ein Team in der dritten Liga", erläutert Lukas Bachmann, Pressesprecher bei EA. "Das heißt aber nicht, dass ein*e bessere*r FIFA-Spieler*in nicht auch mit einem drittklassigen Team gegen Bayern gewinnen kann, wenn sie*r das Spiel besser beherrscht".
Wer eine wirklich faire Herausforderung sucht, kann die Werte der Mannschaften auf ein gleiches Level bringen. Das ist beispielsweise bei E-Sport-Turnieren der Fall. Reale Superstars wie Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi stechen durch ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten in FIFA aber dennoch heraus, so "authentisch wie möglich" eben, wie Bachmann anmerkt.
Ein solches System könnte trotz einzelner Spitzentalente ein Gleichgewicht in der Liga erzeugen. Es erinnert an Sammelkarten: jeder Spieler wurde nach seinem Können mit einem Zahlenwert versehen. Schafft man daraus eine Art Talentpool aller Spieler der Bundesliga, könnte man die Gesamtwerte der Mannschaften gleichmäßig verteilen – und auf dem Papier eine ausgeglichene Meisterschaft ausspielen. Fehlt der Spielvereinigung Greuther Fürth beispielsweise noch ein Topspieler, könnte Manuel Neuer mal für eine Saison lang den Kasten eines anderen bayerischen Klubs hüten.
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