Dank No Man’s Sky hat dieser Musiker den Algorithmus lieben gelernt
Eigentlich macht Paul Wolinski mit seiner Band 65daysofstatic klassischen Post-Rock. Erst seine Arbeit am Soundtrack eines der gehyptesten Spiele der vergangenen Jahre eröffnet ihm neue Perspektiven auf das, was computergestützte Musik kann – und wo sie scheitert.
Nach jahrelangem Hype legt die Weltallerforschungs-Simulation No Man’s Sky eine ähnlich heftige Bruchlandung hin wie die Spielfigur im Tutorial. Knapp drei Monate nach Veröffentlichung sind etwa 70 Prozent der Steam-Reviews negativ, erzürnte Fans reichen eine Beschwerde bei der britischen Werbungsaufsichtsbehörde ASA ein, die abgelehnt wird, selbst der Präsident des Publishers Sony, Shuhei Yoshida, kritisiert die PR-Strategie von Entwickler Hello Games. Der Grund: Die Trailer versprachen ein anderes Spielerlebnis und im Vorfeld angekündigte Spielinhalte fehlen komplett. Was No Man’s Sky von Anfang an beinhaltet, aber kaum Beachtung findet, ist dafür ein genau wie die Spielwelt selbst prozedural generierten Soundtrack der Post-Rocker 65daysofstatic – eine für damalige Verhältnisse absolute Neuheit.
Zuerst komponieren 65daysofstatic ein klassisches Album, dann zerlegen sie die Songs in ihre Einzelteile. Auf Basis dieser Synthesizer-Loops, Gitarrenmelodien und elektronischen Samples werden Soundschnipsel erstellt, aus denen No Man’s Sky immer neue Stücke zusammensetzt. "Den Soundtrack für No Man’s Sky zu machen war eine absolute Lernerfahrung", sagt Paul Wolinski. Wolinski ist einer der beiden Gitarristen der 2001 gegründeten Instrumental-Band aus Sheffield, die elektronische Klangteppiche und gesampletes Schlagzeug mit verzerrten, aggressiven Gitarren kombiniert. "Es hat mich dazu gebracht, neue Wege zu lernen um Musik zu machen. Am Ende habe ich eine Doktorarbeit zu algorithmischer Musik verfasst."
Vom Musiker zum Gamedesigner und wieder zurück
Für Wolinski ist die Arbeit am Soundtrack von No Man’s Sky wie das Schließen eines Kreises. "Als Kind hatte ich das Glück, einen ZX Spectrum und etwas später auch einen Amiga 500 zu besitzen", sagt er. "Ich interessierte mich aber nicht für das Programmieren, sondern für MIDI. Für die nächsten Jahrzehnte wurden Computer für mich zu Werkzeugen, um Musik zu machen. Videospiele verlor ich komplett aus den Augen." Wolinskis Jugendliebe zu elektronisch generierter Musik lebt er spätestens seit der Gründung von 65daysofstatic im Jahr 2001 voll aus. Zusammen mit seinen Bandkollegen baut er modulare Synthesizer und vertieft sein Wissen über Programmierung und Sequencing.
Nach einer kurzen kreativen Pause im Jahr 2010 will die Band die Art, wie sie Musik schreibt, umkrempeln – da kommt die Kontaktaufnahme durch Hello Games 2013 gerade recht. Nach der Arbeit an No Man’s Sky und Abschluss seines Promotionsstudiums widmet sich Wolinski audiovisuellen Projekten, die zu Musikvideos werden. Dafür nutzt er ein Open-Source-Framework für die Unity-Engine namens PhiOS. Entwickelt wird das Framework von Phi Dinh, dem kreativen Kopf hinter dem 3D-Metroidvania Recompile, für das Wolinski nach einigen, wie er sagt, "glücklichen Zufällen und Gesprächen" als UI-Designer arbeitet. "Ich habe einfach überall Glitches eingebaut", erklärt er. "Das mache ich eigentlich schon immer, Dinge zum glitchen bringen. Versuchen, Computer auf interessante Art und Weise in die Knie zu zwingen."
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